In was bin ich da nur wieder reingeraten. Eigentlich wollte ich mir ein paar ruhige Tage in Goa machen, doch es kam anders. Was ist geschehen? Zuerst kam ich in den kleinen Ort Kerim an. Dort nahm ich mir eine Bambushütte am Strand. Es war sehr ruhig hier, es gab kaum Touristen, dafür einige sehr aktive Gleitschirmflieger. Ich lief dann nach Arambol, den nächst größeren Ort, wo es viele Bars und Restaurants gibt. Der Ort ist bekannt für seine Hippieszene, die hier gerne herkommen. Ich wollte eigentlich eine Fotoreportage über die meist langhaarigen, alternativ oder auch gar nicht bekleideten Leute machen. Aber mit denen kam ich nicht weiter in Kontakt. Es waren auch nicht die Russen bei denen ich auflief, die hier herkommen um der sibirischen Kälte daheim zu entfliehen und dem Vodka fröhnen. Es war ein junger Inder, er war in meinem Alter, der mich am Strand von Arambol ansprach und mich zu sich nach Hause zum Essen einlud. Da war ich im Grunde schon zum ersten Mal misstraurisch, bisher hat mich noch kein Inder einfach so eingeladen. Aber warum nicht dachte ich mir, er machte einen netten Eindruck und ich hatte vom langen Spaziergang sowieso Hunger. Bei ihm zu Hause lernte ich seinen Onkel kennen, der sich mit Nil vorstellte, der Obergangster wie sich später herausstellte. Wir saßen dann zusammen, es waren noch weitere „Familienmitglieder“ (allesamt Jungs in meinem Alter) anwesend und redeten über Indien und alles mögliche. Ganz besonders schien Nil an meiner Reise und an meinem Reisebudget interessiert. Ich maß dem nicht viel Bedeutung bei, da ich das häuig gefragt werde, ich erzählte was ich sonst immer erzählte, ich reise mit einem kleinen Budget und versuche wo immer ich kann Geld zu sparen. Er bot mir dann an, dass ich solange ich in Arambol bin, bei ihm immer kostenlos Essen kann. Was für eine nette Geste dachte ich mir. Nach dem Essen ging ich zurück zu meiner Hütte. Hier blieb ich die nächsten Tage, ich hatte Magenprobleme und verbrachte die Tage mit Lesen am Strand. Ich kam nun endlich mal dazu ein Buch auf meiner Reise zu lesen, passenderweise ein Krimi von dem indischen Author Sunil Mann, der in der Schweiz lebt. Der Krimi hat mir sehr gefallen, bald schon sollte ich meinen eigenen Krimi erleben.
Als ich am 10.12. von Kerim weiterfuhr, ich wollte nach Panaji, stoppte ich in Arambol bei dem Haus von Nil, ich wollte noch Aufwiedersehen sagen. Ich wurde wieder zum Essen eingeladen und entschied mich zu bleiben. Nun wird es interessant. Nil erzählte mir er sei Geschäftsmann und handle mit Teppichen, Textilien und Edelsteinen. Er fragte mich ob ich zwei Tage für ihn arbeiten möchte, ich könne dabei 5000 € verdienen. Ich müsste dafür ein Paket mit Edelsteinen im Wert von 10.000 € in meinen Namen nach Sydney/Australien schicken. Dort würde er die Steine für das 3-4 fache des Wert verkaufen. Allerdings könne er die Ware nicht selber verschicken, weil er dann sehr hohe Zollgebühren zahlen müsste. Ich könne ja das Paket als Geschenk deklarieren und somit die Zollgebühren umgehen. Das war ja ein dubioses Geschäft was er mir da anbot, dachte ich mir. Alles Lug und Trug. Bei der nächsten Gelegenheit machte ich mich aber nicht aus dem Staub, sondern entschied zu bleiben, ich witterte eine Story. Ich setzte mein Pokerface auf und lies mir nichts Anmerken, dass was an seinem Geschäft faul sei und sagte ich werde mir das überlegen. Ich nutzte die falsche Gastfreundschaft aus und bekam ein eigenes Zimmer. Wir guckten Don (ich will unbedingt Don 2 sehen, der wurde nämlich in Berlin gedreht) und spielten zusammen Karten, dass Spiel nannte sich „Shithead“. Das Interesse und die Fragen zu meiner Reise und zu meinem Heimatland waren nur Häuchelei. Es war interessant mit zu erleben wie alle um mich herum mir was vormachten. Am nächsten Morgen teilte mir Nil mit sein Boss sei gerade aus Europa zurückgekommen und würde mich gerne treffen um mir die Verträge zu zeigen, eine Kopie von meinem Reisepass bräuchten sie auch. Ich winkte ab, auf weitere Laiendarsteller hatte ich keine Lust. Ich sagte ihm, dass mir sein Geschäft zu unsicher sei und ich kein weiteres Interesse habe. Leider bekam ich dann kein Abschiedsfoto mehr. Als ich meine Kamera herausholte, verdeckten sie ihre Gesichter oder zogen sich zurück.
Bei einer Internetreche habe ich dann herausgefunden, dass einige Touristen ähnliches in Goa erlebt haben und manche haben tatsächlich alles unterschrieben und ein Paket mit Edelsteinen bei der Post aufgegeben. Danach hatten sie aber eine Menge Ärger mit den Zoll und ihren „Geschäftspartnern“. Manche haben dabei mehrere Tausend Euro verloren, statt Geld zu bekommen. Deshalb wurde ich auch immer wieder auf mein Reisebudget angesprochen, sie wollten herausbekommen wie viel es bei mir zu holen gibt. Das hat mir mal wieder gezeigt, dass man in Indien immer auf der Hut sein muss und aufpassen muss mit wem man sich einlässt.
In Panaji, der Haupstadt Goas, blieb ich 5 Tage. Eigentlich wollte ich nur 2 bis 3 Tage bleiben, aber ich wurde wieder krank vom indischen Essen. Es grummelte ständig meinem Magen und ich fühlte mich sehr schwach. Bevor ich nach Indien gekommen bin, hatte ich auf meiner Reise nur einmal Magenprobleme, das war in Istanbul für drei Tage. Ich konnte aber noch Old Goa besuchen, ein 15 km entfernter Ort wo es alte Kirchen und Kathedralen aus der Zeit der portugisischen Besatzung zu sehen gibt. In Panaji traf ich beim Einkaufen in einem kleinen Supermarkt auf ein deutsches Paar, die langjährige Erfahrungen in Indien gesammelt haben. Sie rieten mir dazu ein paar Tage eine Reisdiät zu machen und viel schwarzen Tee zu trinken. Sie guckten in meinen Einkaufskorb und drängten mich dazu das Nutella-Glas wieder zurückzustellen. Mir kamen fast die Tränen, seit Wochen träume ich schon von einem Nutella-Brötchen. Das muss nun noch warten. Als ich dann Panaji verließ hatte ich nichts im Magen und fuhr erstmal 35 km weit. Dann stoppte ich in Majorda und bestellte in einem Restaurant „plain rice“ und „black tea“. Dabei lernte ich Mariano kennen, ein Inder der in Deutschland lebt. Er war hier zu Besuch und trank mit ein paar Freunden indischen Whiskey. Die Leute machten auf mich einen sympathischen Eindruck und als ich eingeladen wurde mit zu Ihnen zu kommen, bejahte ich. Nun wollte ich nochmal sehen ob es auch bei Indern wahre Gastfreundschaft gibt, diesmal wurde ich nicht enttäuscht. Ich kam zu Ihrem Haus wo ich einige Familienmitglieder kennenlernte und mich mit den Leuten unterhielt. Nach vielleicht einer Stunde gab es dann Essen. Ich konnte so viel plain rice essen wie ich wollte, es gab auch noch Fisch. Nach dem Essen fuhr ich mit meinem Rad zum Strand, der nur wenige Minuten entfernt war. Zum Abend war ich wieder bei den Leuten eingeladen. Es gab einen besonderen Anlass. Der letzte Tag einer Heirat eines indischen Brautpaars wurde gefeiert (die gesamte Hochzeit geht eine Woche). Am Tag zuvor gab es eine Riesenfeier mit über 700 Gästen. Es wurde ein LKW benötigt um die ganzen Hochzeitsgeschenke abzutransportieren. Hochzeiten mit so vielen Gästen, meist über 1000, seien in Indien normal, wie ich erfuhr. An diesem Abend gab es für das Brautpaar eine Abschlusszeremonie in einem kleinen Kreis mit vielleicht 30 – 40 Gästen. Bei dieser Zeremonie durfte ich dabei sein. Es war eine christliche Trauung. Mariano verriet mir ein Sprichwort: „Wer in Goa von einem Hügel ein Stein wirft, trifft entweder eine Kneipe oder eine Kirche“. Das Brautpaar wurde in einen Zimmer voller Räucherstäbchen gebracht. Einer sagte was auf portugisisch und alle anwesenden wiederholten das Gesagte, so ging das einige Minuten lang. Anschließend wurde ein Kuchen angeschnitten, wobei sich das Brautpaar gegenseitig die Stückchen in den Mund schob. Dann wurde das Buffet eröffnet und ich war froh das es auch Essen gab, was nicht scharf war. Ich unterhielt mich auch mit ein paar Mädels aus Goa, die Wirtschaft oder Kunst studieren. Sie wollen alle Ihren Masterabschluss machen und danach noch etliche Zusatzqualifikationen, um später einen gutbezahlten Job zu bekommen.
Mariano hatte mich in seiner Wohnung, die er zusammen mit seinem Bruder während des Aufenthalt gemietet hat, untergebracht. Wir frühstückten am nächsten Morgen zusammen und unterhielten uns über sein Leben in Deutschland. Ich fand es sehr interessant und freute mich mal wieder eine längere Unterhaltung in Deutsch führen zu können. Mariano lebt seit 30 Jahren in Deutschland, er war als Bauingenieur tätig, mittlerweile ist er Rentner. Er hat zwei Söhne, einer lebt in Berlin und einer in Neu Delhi, er selbst wohnt in Frankfurt am Main. Nach dem Frühstück, mein Magen hatte sich wieder beruhigt, fuhr ich bis zur 90 km entfernten Stadt Karwa im Staat Karnataka und verließ damit Goa. Unterwegs traf ich auf Nami und Yohan, beide machen auch eine Radreise, allerdings waren sie gerade mit einem geliehenen Motoroller unterwegs. Sie haben Ihre Reise im Mai in Südafrika begonnen und sind bisher über 7000 km gefahren, sie wollen bis nach Japan und Australien. Was besonders kurios ist, beide haben Guillaume in Mumbai getroffen. Außerdem kennt Nami den japanischen Radreisenden Kenta von einer Maillingliste, den ich im Iran getroffen haben. Die Welt der Radreisenden scheint ein Dorf zu sein, jeder kennt jeden. In Karwa bekam ich dann das beste Hotelzimmer für 400 Rupees, was ich bisher in Indien hatte. Ich hatte zum ersten Mal saubere Bettwäsche und brauchte nicht meinen Seidenschlafsack benutzen. Und es gab einen Flachbildfernseher worüber ich viele englischsprachige Sender mit gutem Filmangebot sehen konnte.
Am 17.12. fuhr ich nach Gokarna wo ich Abdel wiedertraf, den ich bereits dreimal im Iran und in Dubai getroffen habe. In Gokarna werde ich eine Weile bleiben.
gut das du abgelehnt hast holger, pass bloß auf dich auf.
schön gruß von katha und hanna (haha) vlt finden wir ja zeit weinachten zu skypen
Very smart Holger 😉