Ans Schwarze Meer – Von Istanbul nach Samsun

107. Reisetag

5.371 km

Nach zweieinhalb Wochen Aufenthalt in Istanbul ging unsere Reise am 26.07. weiter. Schon am Abend zuvor hatten wir unsere Zelte in einem Park in der Nähe des Fährhafen Yenikapi aufgestellt. Wir nahmen am Vormittag die Fähre für 21 TL (pro Person) nach Yalova um leichter aus der Stadt herauszukommen. Von Yalova fuhren wir bis zu einer kleinen Stadt hinter Izmit. Hier fanden wir einen schönen Park neben einer Moschee, wo wir zelten durften. Ein paar Kinder kamen zu uns und probierten ihr Englisch aus. Es war nicht ganz so leicht sie wieder loszuwerden, wir waren müde und wollten schlafen, wir machten dann einfach unsere Zelte zu und dann gingen sie weg. Am nächsten Morgen dachte ich, es würde regnen als Wassertropfen gegen mein Zelt prasselten. Es war aber kein Regen, sondern Rasensprenger die im Boden eingelassen waren und uns beregneten. Unser nächstes Nachtquartier war in einem kleinen Häuschen hinter der Stadt Hendek, wo uns ein deutschsprachiger Türke (ehemaliger Gastarbeiter) schlafen ließ. Schon zuvor in der Stadt Hendek hatten wir mehrere deutschsprachige Türken getroffen, die alle im Ruhrgebiet gearbeitet haben. In Hendek haben wir uns Simkarten von Turkcell gekauft, damit haben wir auch Internet in der Türkei.

Drei Tage nachdem wir Istanbul verlassen hatten, trafen wir Simon, ein deutschsprachiger Radreisender. Er kommt aus der Schweiz und ist dort im Mai losgefahren und über die Mittelmeerküste nach Istanbul gekommen. Er hat Istanbul einen Tag vor uns über die Bosphorusbrücke verlassen und den beschwerlichen Weg durch den asiatischen Teil von Istanbul genommen. Wir fuhren dann zu dritt weiter. Obwohl sein Fahrrad auch schwer beladen war, schien er weniger Mühe als uns zu haben die Berge hochzufahren. Nach Düzce schlängelte sich die Straße auf über 1000 m hoch. Es war sehr schwühl, die Fahrt bergauf war eine Tortour. Es gab keinen Seitenstreifen mehr und die LKWs fuhren knapp an einem vorbei. Nach dem Berg war die Straße wieder breiter und es kam nochmal ein 1200 m hoher Berg, der war dann aber einfach zu erklimmen. Unser Camp schlugen wir gemeinsam am See von Yenicaga auf und hatten dort ein schönes Plätzchen. Am nächsten Tag trennten sich leider unsere Wege, Simon fuhr Richtung Ankara und wir fuhren weiter Richtung Samsun. Er will auch nach Indien fahren, aber er fährt nicht durch den Iran, sondern will von Baku aus den Flieger nehmen.

Guillaume und ich wurden dann von einem heftigen Gewitter überrascht. In kürzester Zeit nahm der Regen die Sicht auf die Straße, wir flüchteten uns auf die Pritsche eines LKWs der am Straßenrand stand, dessen Besitzer hatte einen kleinen Verkaufsstand. Dann fing es auch noch heftig an zu hageln, tausende taubeneigroße Hagelkörner fielen herab. Nach diesem Unwetter war es endlich mal nicht mehr so heiß, die Temperatur hatte sich auf 20° C „abgekühlt“. Wir zelteten die Nacht inmitten einer kleinen Stadt auf einer (Kuh-)Wiese neben einem „BIM“ (unser Lieblingssupermarkt, dort ist es am günstigsten).

Bevor wir am nächsten Morgen weiterfuhren, flickte Guillaume erstmal seinen Schlauch. Er hatte seinen ersten Platten auf der Reise. Währenddessen kamen ein paar Polizisten vorbei und interessierten sich für uns (Passkontrolle inklusive). Sie waren sehr nett und meinten wenn wir Probleme hätten, könnten wir sie jederzeit unter 155 anrufen. Dann ging es weiter mit unserer Fahrt durch die Berge, es gab unterwegs wieder ein Gewitter, diesmal hielten wir rechtzeitig an einer Tankstelle an und warteten bei Cay den Regen ab.

Bei unserem Nachtlager für diesen Abend hatten wir diesmal richtig Pech. Zuerst stellten wir unser Zelt neben einer Moschee in einem kleinem Dorf auf, nachdem wir uns zuvor vom Imam sein Einverständnis geholt hatten. Die Dorfbewohner hießen uns willkommen, ein paar Jungs brachten uns einen Kaffee und luden uns zum Cay ein. Doch anderthalb Stunden später wurden wir dann gebeten zu gehen. Wir verstanden nicht wirklich den Grund (es konnte keiner von den Bewohnern Englisch), aber es war unmissverständlich das wir hier nicht bleiben durften. Wir vermuten das irgend jemand unsere Anwesenheit nicht passte. Es war schon nach 22 Uhr als wir wieder alles zusammengepackt hatten und auf der dunklen Straße weiterfuhren. Nach 2 km hielten wir dann an einer Tankstelle, weil es uns zu gefährlich war noch weiterzufahren, denn die Straße war hier auf einem längeren Abschnitt wegen einer Baustelle nur einspurig und ohne Seitenstreifen. Auf der Tankstelle zelteten wir dann auf dem nackten Asphalt direkt neben der Straße.

Wir versuchten am nächsten Tag eher einen guten Schlafplatz zu finden. In der schönen Stadt Osmancik aßen wir unser Abendessen am längsten Fluss der Türkei, dem Kızılırmak. Durch eine längere Unterhaltung mit einem Lehrer der sich für uns interessierte wurde es aber wieder spät. Als wir dann auf einem leeren Grundstück in der Stadt zelten wollten und uns bei den Anwohnern erkundeten (die leider kein Englisch sprachen), riefen diese die Polizei. Die kontrollierten erstmal unsere Pässe und zeigten uns dann einen Platz wo wir zelten durften, der leider direkt wieder an der Straße lag. Wir beschlossen dann Moscheen und Orte als zukünftige Schlaplätze zu meiden und uns ein ruhiges Plätzchen in der Natur zu suchen. Das klappte dann auch bei unserem nächsten Schlafplatz. Zuerst hielten wir wieder bei einer Moschee, bei den Moscheen gibt es nämlich immer Toiletten und Waschmöglichkeiten. Diese lag außerhalb einer Stadt und als ich nachfragen wollte, kam mir prompt ein Berliner (ein Deutschtürke, Eltern aus der Türkei, aufgewachsen in Berlin) aus der Moschee entgegen und kümmerte sich um unser Anliegen. Er stellte einen Dorfbewohner für uns ab, der nicht von unsere Seite wich bis wir einen tollen Platz unter einem leeren Stall gefunden haben. Das war wieder ein sehr schönes Erlebnis.

Am nächsten Tag waren wir auf der Zielgeraden nach Samsun und machten Rast in Kavak. Dieser Ort war leider keine gute Wahl. Wir dachten wir hätten ein ruhiges Plätzchen in einer kleinen Stadt etwas abseites der Straße gefunden, doch dann kamen Kinder und Jugendliche zu uns, die uns die ganze Zeit über auf türkisch zuquatschten. Das war ganz schön nervig. Aber für die Kids waren wir nun mal die Attraktion in ihren vermutlich nicht so spannenden Sommerferien. Wir nahmen dann die Sache mit Humor und machten noch Fotos mit den Kindern.

Ruhe ist für uns der Türkei nicht leicht zu haben, entweder verfolgt uns der Straßenlärm, neugierige Kinder belagern uns oder es gibt Dauerbeschallung türkischer Musik aus Lautsprechern, außerdem ruft der Imam schon um 4 Uhr Morgens von der Moschee. Doch dafür treffen wir unterwegs auch sehr freundliche Menschen, jeden Tag werden wir, wenn wir irgendwo halten, fast immer zum Cay eingeladen. Wir haben einen schönen Park bei Samsun direkt am Schwarzen Meer gefunden wo wir zelten und einen Tag Pause machen, bevor wir am Schwarzen Meer weiter Richtung Trabzon fahren. Als ich den Artikel hier im Park geschrieben habe, hat mir jemand einfach so einen Eisbecher vom Cafe geschenkt.

Diese Strecke „Yalova-Samsun“ war mit 8 Tagen und über 770 km unser längster Abschnitt den wir bisher an einem Stück gefahren sind. Doch wir fühlten uns jeden Tag fit genug weiter zu fahren und wollten erst am Schwarzen Meer einen Ruhetag einlegen.

Bis auf einigen Baustellen und der Anstieg hinter Düzce ist die Straße sehr gut mit dem Rad zu befahren, pro Richtung gibt es zwei Fahrspuren und einen breiten Seitenstreifen. Mit meinen neuen Mänteln aus Istanbul hab ich die richtige Wahl getroffen, es rollt sich jetzt viel besser auf dem Asphalt.

Wir fahren wahrscheinlich noch durch Georgien und Armenien.