Berlin-Paris auf Umwegen – Zweiter Teil

Mein erster Ort in Holland hieß Coervorden. Ich fuhr aber gleich weiter, denn es war bereits am Abend und ich wollte noch bis zu meinem Zeltplatz. In Holland gibt es nämlich Plätze an denen man legal wild zelten darf. Das hatte ich erst kurz zuvor erfahren und war sehr erfreut darüber. Die Plätze sind mit einem Pfahl markiert und dessen Umkreis von 10 m darf man seit Zelt aufstellen und sogar 2 oder 3 Nächte bleiben.

Diese Plätze sind ganz schön versteckt, im Internet gibt es aber die Koordinaten und so fand ich gleich am ersten Abend eine Stelle in einem Wäldchen wo ich ungestört mein Zelt aufschlagen konnte. Am nächsten Tag kam ich durch Zwolle und Kampen, zwei schöne Städte. Auf den Straßen und Radwegen kam ich, wie nicht anders zu erwarten, wunderbar voran. Am Abend suchte ich wieder so einen Biwakplatz auf.

Diesmal war ich nicht alleine, sondern hatte nette Gesellschaft. Ich traf auf den Holländer Louis. Zuerst dachte ich, er würde dort wohnen, weil er es sich so gemütlich eingerichtet hatte. Aber er war auch auf einer Radreise, einer etwas kleineren. Er hatte nämlich einen Anhänger mit 50 kg Gewicht und einen Hund dabei, da konnte großen Sprünge machen. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut, obwohl Louis 20 Jahre älter ist als ich. Er hatte auch mal, wie ich, im IT-Bereich gearbeitet und dann keinen Sinn mehr darin gesehen und wollte was anderes ausprobieren. Er war schon mit dem Rad in Alaska unterwegs (dort allerdings ohne Hund) und er hat 7 Jahre in einer mongolischen Jurte gelebt (aber nicht in der Mongolei, sondern in Holland).

Wir gingen dann zusammen Holz sammeln, besser gesagt sägen. Denn es lag kein Totholz auf dem Boden, aber es war erlaubt es abzusägen. Es lag extra eine scharfe Säge bereit. Wir bekamen genug Holz zusammen und hatten ein schönes Lagerfeuer. Louis erzählte mir von seinen Begegnungen mit Bären in Alaska. Er hatte immer zwei große Dosen Pfefferspray dabei sowie eine Flasche Olivenöl, weil er so gerne kocht. Am Ende war er aber total abgemagert und schwach, weil er von einem Parasit befallen war. Er musste deshalb seine Reise abbrechen und nach Holland zurückkehren. Er hat sich dann aber wieder schnell erholt. Da fühlte ich mich noch mehr mit ihm verbunden, da ich auch so etwas ähnliches durchgemacht habe.

Das Reinradeln nach Amsterdam am nächsten Tag ging sehr leicht. Es gibt lange Radwege die keine Straßen kreuzen. Louis hatte mir einen Tipp gegeben, wo ich in Amsterdam günstig zelten kann. Vom Zeltplatz war ich mit dem Rad in 15 Minuten im Zentrum. Erstaunlicherweise war der Platz komplett belegt und die Zelte standen dicht gedrängt. Aber Amsterdam ist auch ein beliebtes Touristenziel, besonders bei Deutschen. Mir gefiel das Stadtzentrum sehr. Ich mag vor allem die Häuser und das alle Straßenzüge mit Kanälen durchzogen sind. Doch zwei Tage reichten mir, die Stadt ist ja nicht besonders groß und ich wollte wieder wild zelten.

Als ich aus der Stadt raus war und einen „Paalkampeerterrein“ aufsuchte, traf ich wieder auf einen Gleichgesinnten. Der Holländer Borg aus Den Haag zeltete dort. Er ist genauso alt wie ich, darüber hinaus hatten wir auch viele weitere Gemeinsamkeiten. Er war in der Schule auch ein Außenseiter und dachte lange Zeit, dass ihn keiner mag. Ich fand ihn cool, er hat lange Haare und aus seinem Bart schauten zwei Zöpfe heraus, wie ein Wikinger (aber ein freundlicher). Leider konnten wir an diesem Abend kein Lagerfeuer machen, da dass Holz feucht war. Wir tranken dann Tee um uns aufzuwärmen. Obwohl es Borg nicht kalt zu sein schien, er lief noch in kurzer Hose und Barfuß herum.

Den Tag darauf traf ich mich mit Remco in Gouda. Wir hatten vor drei Jahren in Australien auf der gleichen Farm gearbeitet. Ich war richtig euphorisch als ich ihn traf. Denn ich war ja die ganze Strecke von meiner Haustür zu seiner Haustür mit dem Rad gefahren. Das finde ich auch so toll am Radreisen, man hat die ganze Strecke mit eigener Kraft zurückgelegt und weiß genau wie es zwischen dein beiden Orten aussieht. Remco zeigte mir seine Heimatstadt und lud mich zum Essen ein. Natürlich kaufte ich mir in Gouda auch ein Stück Gouda zum mitnehmen. Remco hat auch Fernweh, bleibt aber erstmal wegen der Arbeit und Freundin in Holland.

Noch am gleichen Tag fuhr ich von Gouda aus weiter. Es wurde dann etwas später und ich fuhr bei Vollmond übers flache Land, musste dann aber noch eine Fähre nehmen um zu meinen Zeltplatz zu gelangen. Auf dem Weg nach Belgien fuhr ich am nächsten Tag noch durch den Nationalpark De Biesbosch. Hier war es sehr ruhig, kein Autoverkehr. In Holland gibt es zwar viele gut zubefahrende Radwege, aber auch viele Autos. Mir fiel auf, dass bis auf ein paar Rennradfahrer, niemand einen Helm trägt. Allerdings hat man als Radfahrer anscheinend höchste Priorität. Ich habe mehrmals (vergeblich) versucht Fußgängern oder Autofahrern die Vorfahrt zu geben. Die Leute sind hier im Straßenverkehr sehr umsichtig. Was mich aber störte, war dass auch Motorscooter auf dem Radweg fahren.