Nach meiner mehrjährigen Reise entdeckte ich den Hang zu Mini-Abenteuern. Radtouren in meiner Umgebung mache ich seit eh und je, wobei ich abends immer nach Hause kehrte. Doch eines Tages dachte ich mir, warum immer von zu Hause aus zur Arbeit fahren? Warum nicht mal kurz aus dem Alltag ausbrechen, wo alles immer gleich abläuft? Ich nahm meinen Schlafsack und übernachtete an einem Sonntag unter freien Himmel in den Müggelbergen, wobei es dann am Montag zur Arbeit ging. In der Nacht lauschte ich den Geräuschen im Wald, sah Sterne, wurde am Morgen vom Regen geweckt, fuhr alleine durch den Wald, traf eine Rotte Wildschweine…. Es fühlte sich aufregend an, es fühlte sich nach Abenteuer an.
Zwei Wochen später fand ich am Spreeradweg zufällig eine Stelle wo man legal wild zelten kann. Direkt an der Spree mit Lagerfeuerstellen, keine Zäune, keine Gebäude stattdessen Felder, Wald und Schafe. Ich war erstaunt hier etwas Wildnis und Abgeschiedenheit nicht weit von zu Hause vorzufinden. Hier konnte ich prima abschalten. Statt zu Hause im Zimmer zu hocken und auf mein Tablet zu starren, saß ich draußen und schaute ins Lagerfeuer oder raus in die Landschaft. Von nun an waren meine Radtaschen immer gepackt und ich kam öfters hier her, manchmal fuhr ich von dort auch direkt zur Arbeit. Es folgten weitere Mini-Abenteuer in der Umgebung.
Bei einer Tour fuhr ich an einem Samstagnachmittag von zu Hause spontan bis an die Oder. Viele Wege auf der Strecke waren neu für mich, da war diese alte Obstbaumallee aus Feldsteinen, wo ich ständig anhielt um Mirabellen zu essen. Als ich den deutschen Grenzpfeiler bei Lebus sah, freute ich mich total. Dann wusste ich nicht wo ich mein Zelt aufschlagen sollte und fuhr in der Dämmerung auf dem Deich entlang, bis ich dann doch noch eine einsame Stelle im Niemandsland fand. Am Morgen danach besuchte ich Reitwein und füllte mir beim Pfarrer meine Wasserflasche auf, der von meiner kleinen Tour begeistert war. Kam dann durch einen Wald wo ich General Schukows Befehlstand entdeckte. Er hat im zweiten Weltkrieg die entscheidende Schlacht der Roten Armee auf Berlin befehligt. An der Priesterschlucht schob ich mein Rad entlang und traf auf eine Gruppe Wanderer. Als ich dann Mittagspause in den Seelower Höhen machte, dachte ich mir: Wow so viel erlebt und es sind gerade mal 23 h vergangen seit ich losgefahren bin. Mir wurde mal wieder bewusst wie man mit Radreisen die Zeit intensiver nutzen kann.
Man braucht nicht viel für so ein Mini-Abenteuer. Nun habe ich ja schon eine gute Ausrüstung zusammen. Aber als mal mein Arbeitskollege und seine Freundin mitgekommen sind, haben sie bewiesen, dass es auch ganz simpel geht. Sie hatten einfache Baumarkträder und ein Wurfzelt was sie zusätzlich zu den Rucksäcken über der Schulter trugen. Satteltaschen oder Fahrradkorb hatten sie nicht. Statt Isomatte und Schlafsack hatten sie nur zwei Decken dabei gehabt. Ihnen gefiel der kleine Ausflug sehr und wir saßen bis tief in die Nacht am Lagerfeuer. Anerkennung bekamen auch die drei Mädels von mir, welche ich auf meiner Tour durch den Fläming getroffen habe. Sie sind in Berlin mit ihren Stadträdern gestartet und haben ihr Gepäck irgendwie aufs Rad geschnürt. Es war ihre erste Tour inklusive wild zelten. Als wir zusammen fuhren, stellte ich schnell fest, dass das was ihnen an Ausdauer und Erfahrung fehlte mit viel Humor wettgemacht wurde. Es war eine tolle Gruppendynamik.
Diese Mini-Abenteuer brauchen kaum Planung. Im Vorfeld suche ich mir grob eine Route raus. Wo genau ich ankomme und wo genau ich übernachte lasse ich offen. Es ist ja gerade das Unerwartete was ein Abenteuer ausmacht. Auf meinen Touren sind mir die Schutzhütten aufgefallen. Manche davon sehen richtig einladend aus. An einem Sonntagnachmittag fuhr ich in Richtung Eberswalde. Allerdings ohne Zelt, das macht es noch spannender. Tatsächlich fand ich einige Hütten. Doch es kam noch besser. Ich fand eine versteckte Lichtung im Wald mit Lagerfeuerstelle. Neben mir hatte ich dann das Lagerfeuer was mich wärmte und die Mücken fern hielt und konnte über mir viele Sterne sehen (aber noch lange nicht so viel wie in Australien).
“Ich habe leider keine Zeit…“ ist heutzutage eine häufige Ausrede. Als ich in die Grundschule ging, gab es noch kein Internet und keine Smartphones. Wir verbrachten viel Zeit nach der Schule draußen, suchten uns Verstecke im Gebüsch, legten ein Beet an, kletterten auf Bäume, spielten Räuber und Gendarm… Ok, nun ist man Erwachsen, hat mehr Verpflichtungen, ein Arbeitstag ist in der Regel länger als ein Schultag. Doch wir haben immer noch massig Zeit. Durch Computer, Smartphones und Internet geht uns aber diese Zeit flöten. Wenn ich auf ein Microadventure gehe, schalte ich mein Smartphone auf Flugmodus. So kann ich es noch zur Navigation und zum Fotografieren benutzen, werde aber nicht weiter abgelenkt. Mein bisher “größtes“ Mini-Abenteuer ging von Samstagnachmittag bis Montagmittag, dabei legte ich 235 km zurück und war auch noch kurz in Polen.
Als ich mal wieder auf der Karte Ausschau nach neuen Plätzen für ein Microadventure hielt, kam ich auf die Idee auf einem Aussichtsturm zu übernachten. Ich fand einen 40 m hohen Turm mitten im Wald. Um Berlin herum ist es sehr flach, der Turm steht auf einem 150 m hohen Hügel, somit boten sich gute Aussichten an. Damit war er wahrscheinlich der höchste Schlafplatz im Umkreis von 100 km. Für einen guten Schlaf trug ich allerdings mein Fahrrad mit nach oben. Von der Plattform sah ich bis nach Polen. Nach einem schönen Sonnenuntergang kuschelte ich mich in meinen Schlafsack ein, den ich auf eine Bank gelegt hatte. Es war windig und der Turm wankte leicht, es war wie auf einem Boot. Am Morgen wachte ich dann mit dem Sonnenaufgang auf und freute mich sehr diese verrückte Idee umgesetzt zu haben.