Am Morgen unserer Abfahrt von Sofia schauten wir uns im Hostel nochmal die große Bulgarienkarte genauer an. Wir entschieden uns dann die Bundesstraße 6 nach Burgas zu nehmen, die mitten durch Bulgarien führt. Bevor wir weiterfuhren, kauften wir noch neues Gas zum Kochen. Unsere große Flasche, die wir in Linz gekauft hatten und uns teilten, hat sehr lange durchgehalten. Dann schauten wir uns noch nach Hundeabwehrmöglichkeiten um. Bisher waren uns die Vierbeiner friedlich gesonnen, aber man kann ja nie wissen. Wir waren in Military Shops unterwegs und staunten über das vielfältige Waffenangebot, was in Deutschland verboten ist bzw. wofür man einen kleinen Waffenschein braucht, ist hier frei erhältlich. Sei es Springmesser, Macheten, Schlagringe, Wurfsterne, Teleskopschlagstöcke etc., hier kann man sich für den nächsten Bandenkrieg eindecken. Also nachts würde ich hier nur ungern allein in den Randbezirken spazieren gehen. Zur Hundeabwehr entschied sich Guillaume für ein Spielzeugrevolver (den er leider unterwegs verlor und nicht erproben konnte) und ich mich für ein Ultraschallgerät (10 €) sowie Pfefferspray.
Nachdem wir Sofia verlassen hatten, ging es schon nach kurzer Zeit ein gutes Stück, bis auf 1000 m bergauf. Hierbei hatte ich nun keine Probleme mehr mit dem Anstieg und ließ Guillaume hinter mir, der mir anerkennend zurief. An diesem Abend übernachteten wir auf einem Zeltplatz. Eigentlich war es kein richtiger Zeltplatz sondern ein kleines Ferienlager mit ein paar Hütten, wo wir für 5 Leva pro Person unser Zelt aufstellen konnten.
Den nächsten Tag ging es wieder straf weiter durch die Berge. Bei unserer ersten Rast bei einem bulgarischen Wirtshaus aßen wir einen Joghurt, der landestypisch sehr sauer war. Nach einer schönen über 10 km langen Abfahrt kamen wir in das Rosental, hier war die Blühte leider schon vorbei. Als wir in einem Dorf Rast machten und ich mir ein Eis gönnte, bettelte uns ein kleiner Junge an. Dieser Junge sah total elendig aus, ich konnte ihn nicht weiter ignorieren und gab ihm und seinen älteren Bruder zwei abgepackte Schokocroissants die es hier überall zu kaufen gibt und eine Banane.
Ein paar Dörfer weiter erlebten wir eine freudige Überraschung, wir trafen zwei Bulgarinnen die mit dem Fahrrad unterwegs waren. Diese beiden Mädels kommen aus Sofia und fuhren auch zum Schwarzen Meer. Allerdings hatten sie keine Gepäckträger, sondern schwere Rucksäcke, echt tough. Wir fuhren dann zu viert eine 20 km lange Strecke. Guillaume vorne weg, die beiden Mädels dahinter und ich bildete das Schlusslicht und passte auf das keiner verloren ging. Da die Bulgarinnen von jemand mit Auto abgeholt wurden und in einer festen Unterkunft schliefen, trennten sich unsere Wege. Wir fuhren weiter bis wir abends etwas abseits unserer Strecke auf einer Pferderanch bei Pavel banya landeten, wo wir zelten durften. Diese Ranch liegt so ziemlich im geographischen Mittelpunkt Bulgariens. Hier lernten wir außerdem 2 Bulgaren kennen, die von der Stadt kommen und lieber auf dem Land leben. Wir aßen zusammen eine Wassermelone, welche wir zuvor am Straßenrand gekauft hatten.
In der Stadt Kazanlak stockten wir am nächsten Tag unsere Vorräte auf. Die Preise im Supermarkt sind fast gleich mit denen aus Deutschland. Für bulgarische Verhältnisse ist das sehr teuer, wenn man bedenkt das viele Bulgaren nur zwischen 300 € und 500 € im Monat verdienen. Viele Leute auf dem Land versorgen sich selbst. Die Sonne verschwand bereits hinter den Bergen als wir immer noch auf der Bundesstraße unterwegs waren. Guillaume schlug dann vor in die Stadt Sliven zu fahren und dort eine feste Bleibe zu suchen. Die Stadt liegt etwa 5 km von der Bundesstraße 6 entfernt. Wir fuhren lange Zeit nur an Industrieanlagen vorbei und fragten uns wann endlich das Zentrum kommt. Auf dem letzten Kilometer bekamen wir sogar eine Polizeieskorte die uns ins Zentrum begleitete. Dort nahmen wir uns dann im schickesten Hotel für 50 Leva ein Doppelbettzimmer (12,50 € für jeden). Unser Räder parkten wir in der Tiefgarage. Das Zimmer hatte die Ausmaße eines Apartments und Satellitenfernsehen sowie eine Klimaanlage. Was für ein Luxus für uns. In der knapp 100.000 Einwohner zählenden Stadt Sliven versuchten wir noch an einem Freitagabend etwas vom Nachtleben mitzunehmen. Doch nach dem Besuch einer Bar und einem Club ließen wir es bleiben, hier war echt nichts los. Eine paar Jugendliche empfahlen uns nach Sunny Beach an die Küste zu fahren, dort sei mehr los.
Am nächsten Tag konnten wir uns nur schwer von unserer Suite trennen und blieben noch bis Mittag im Bett. Dann gingen wir bei einem Supermarkt was essen. Hier bettelten uns Romakinder an, bis die Security kam und sie wegschickte. Wir fragten uns ob diese Kinder überhaupt zur Schule gingen. Es ist schon traurig mit anzusehen wie diese Kinder aufwachsen und dabei sind wir noch in Europa und nicht in Indien. Diese Stadt war auch die reinste Betonwüste, wir waren froh diese Stadt hinter uns zu lassen. Diesen Tag fuhren wir zur Abwechslung nur 70 km statt der 100 km oder mehr. Ein abgeerntetes Feld diente als unser Campingfläche.
Am 1. Juli erreichten wir Mittags das Schwarze Meer in Sunny Beach, bei Nesebar. Mein Kilometerzähler zeigte 4.078 km an als wir am Strand ankamen. Das Meer war vor lauter Sonnenschirmen und Liegen kaum zu sehen. Wir quartierten uns wieder für 50 Leva in ein Hotel ein und schliefen erstmal, bevor wir abends den Ort und das Nachtleben erkundeten. Für mich war das hier ein Kulturschock. Der Ort bestand nur aus Hotels, teuren Apartments, Swimming Pools, Bars, Clubs, Restaurants, Casinos, Bordellen, Tattoostudios, Shops und Souvenirläden – alles zum Vergnügen für ausländische Touristen (hauptsächlich Briten und Deutsche). Nach einer Nacht hatten wir genug, wir wollten lieber an einem wilden Strand ein paar Tage in Ruhe verbringen.